Hauptseminar: Erasmus von Rotterdam und der Beginn der Neuzeit
Der Übergang zur Neuzeit, der einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren umfaßt, läßt sich als kumulativer Prozeß beschreiben, in dem sich ganz verschiedenartige Vorgänge wechselseitig verstärkten. Als wichtige Aspekte wären zu nennen: der in Italien im 14. Jahrhundert entstandene Humanismus, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf das übrige Europa übergriff; die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg um 1450; das rasche Vorrücken der Türken nach dem Fall Konstantinopels 1453; die Entdeckung der Neuen Welt; die 1494 einsetzenden Kämpfe um Italien, die als Geburtsstunde des europäischen Staatensystems gelten; schließlich - mit langer Vorgeschichte - die Reformation und die Kirchenspaltung.
Eine zentrale Gestalt der Umbruchszeit ist Erasmus von Rotterdam (1466-1536). Als „Fürst des Humanismus“ genießt er bereits zu Lebzeiten eine überragende Reputation, und zwar sowohl bei den Gelehrten als auch bei den Mächtigen. Vor allem aber: In seinem breiten, ausschließlich auf Latein verfaßten Werk spiegeln sich die Grundprobleme der Epoche. Erasmus übt schärfste Kritik an den Mißständen von Kirche und Papsttum, verbunden mit einem Programm zur grundlegenden Erneuerung des christlichen Lebens auf biblisch-humanistischer Grundlage, er erhebt leidenschaftlich Anklage gegen den Krieg und das zeitgenössische Söldnerwesen (aus seiner Feder stammen die ersten pazifistischen Schriften der Literaturgeschichte), und er setzt sich immer wieder mit der „Türkengefahr“ auseinander. Vieles verbindet ihn anfänglich mit Luther (1516 veröffentlicht Erasmus das „Neue Testament“ im griechischen Original, das Luther seiner Bibelübersetzung zugrundelegt), die fundamentalen Unterschiede, die ungeachtet dessen zwischen dem katholischen Reformer und dem evangelischen Reformator bestehen, entladen sich später im erbittert geführten Streit über die Willensfreiheit. Erasmus sieht in der Glaubensspaltung vor allem eine Quelle für Aufruhr und Gewalt, weshalb er bis zuletzt für die Wiederherstellung der Kircheneinheit kämpft.
Das Seminar ist als Kombination aus Quellenlektüre und sachbezogenen Sitzungen geplant. Die Idee hierzu verdankt sich nicht zuletzt der Tatsache, daß Erasmus‘ Schriften sich nicht nur durch intellektuelle Brillanz auszeichnen, sondern auch sprachliche Meisterwerke darstellen (was eine gute Übersetzung umso wichtiger macht).
Zu erbringende Prüfungsleistung:
- Das Abgabedatum für die Hausarbeit (20-25 Seiten) ist der 20. März 2026.
- Mündliche Prüfungen (20 Minuten) nach individueller Absprache, i.d.R. zwischen dem 09. Februar und dem 10. April 2026.
Zu erbringende Studienleistung:
- Regelmäßige Teilnahme (max. 2 Fehlzeiten)
- Referat, Dauer: ca. 20 Minuten
- Mündliche Ergebnissicherung, Dauer: ca. 10 Minuten
- Quelleninterpretation, Umfang: ca. 3 Seiten
Literatur:
- Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, 8 Bde., lateinisch und deutsch, hrsg. v. Werner Welzig, Darmstadt 1967-80 (u. ö.).
- Johan Huizinga, Erasmus, Basel 1928 (u. ö.).
- Léon E. Halkin, Erasmus von Rotterdam. Eine Biographie, Zürich 1989.
- Harm Klueting, Das Konfessionelle Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne, Darmstadt 2007.
Die Belegung der Veranstaltung erfolgt über HISinOne.