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Übung: Politisches Denken in Deutschland in der frühen Neuzeit

Wann 17.04.2024 um 18:15 bis
17.07.2024 um 19:45
Wo Kollegiengebäude IV/HS 4429
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PD Dr. Uwe Wilhelm

In Deutschland beginnt die Neuzeit - und damit auch deren politisches Denken - mit dem Humanismus,
der sich seit etwa 1480 im Reich ausbreitete. Erasmus von Rotterdam, der größte Gelehrte seiner Zeit,
erhob leidenschaftlich Anklage gegen den Krieg, womit er zum Ahnherrn des Pazifismus wurde („Querela
Pacis“, 1517). Wenig später entwickelte Luther, aus reformatorischer Sicht, die berühmte Zwei-Reiche-Lehre,
die eine grundsätzliche Gehorsamspflicht gegenüber der gottgewollten Obrigkeit postulierte („Von weltlicher
Obrigkeit“, 1523). Ganz anders der Calvinismus, der Volkssouveränität und Widerstandsrecht auf seine Fahnen
schrieb. Zwar konnte er nur in einigen Gebieten des Reiches Fuß fassen, brachte mit der „Politica“ des
Emdener Ratssyndikus Johannes Althusius (1603) aber ein bedeutendes Werk hervor, das die politischen
Ansichten des Calvinismus systematisierte. Beherrschendes Thema der staatsrechtlichen Diskussion des
17. Jahrhunderts war die Reichsverfassung mit ihrer verworrenen Struktur. Im Zentrum stand die doppelte
Frage, wie man die Verfassung zum einen in die klassische aristotelische Regierungsformenlehre einordnen
und zum anderen mit der Bodinschen Souveränitätstheorie vereinbaren könne. Die bekannteste Antwort
gab Samuel Pufendorf in seiner Verfassungsschrift („De statu imperii Germanici“, 1667), das Reich sei ein
„irregulare aliquod corpus et monstro simile“, also ein monströses Ungetüm. Pufendorf war es auch, der das
säkulare Naturrecht im Reich bekanntmachte und damit die Aufklärung einläutete. Diese plädierte zunächst
für einen aufgeklärten Absolutismus, entwickelte im Laufe des 18. Jahrhunderts aber auch gewaltenteilig-
konstitutionelle Verfassungsmodelle (J. H. G. v. Justi, „Grundriß einer guten Regierung“, 1759)). Als Reaktion
auf den Siebenjährigen Krieg meldete sich ein Reichspatriotismus zu Wort, der bereits deutlich frühnationale
Züge trug (Fr. C. v. Moser, „Von dem deutschen Nationalgeist“, 1766). Höhepunkt und Abschluß der Aufklärung
bildete Kant, dessen Schriften für den Liberalismus, das Rechtsstaatsdenken und die Idee des Völkerbunds
wegweisend wurden („Zum ewigen Frieden“, 1795).

 

Zu erbringende Studienleistung
In der Übung sollen die genannten Texte - ganz oder in Auszügen, allesamt auf deutsch - intensiv gelesen,
analysiert und historisch eingeordnet werden. Besonderes Augenmerk wird auf dem Vergleich mit anderen
europäischen Ländern liegen. Die Studienleistung besteht, je nach Teilnehmerzahl, aus einem Kurzreferat oder
einer kurzen Hausarbeit (ca. 8 Seiten).


Literatur
B. Heidenreich/G. Göhler (Hrsg.), Politische Theorien des 17. und 18. Jahrhunderts. Staat und Politik in
Deutschland, Darmstadt 2011; H. Fenske/D. Mertens/W. Reinhard/K. Rosen, Geschichte der politischen
Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart, aktual. Neuausgabe, Frankfurt/M. 1996; Michael Stolleis (Hrsg.),
Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3. Aufl., München 1995.