Sie sind hier: Startseite Lehre Lehrveranstaltungen … Hauptseminar: Lesbische* …

Hauptseminar: Lesbische* Lebenswelten im deutschen Südwesten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Wann 17.10.2023 um 16:00 bis
06.03.2024 um 18:00
Wo KG IV / ÜR2
Termin übernehmen vCal
iCal

Prof. Dr. Sylvia Paletschek / Miriam Bräuer-Viereck / Muriel Lorenz

„Aber das Wort Lesbisch kannte ich nicht. Selbst das Wort Schwul war, glaub ich, für mich, ziemlich unbekannt.“ (Interview mit Dr. Herta Leistner, 27. September 2016)

 „Ich bin die Einzige und ich muss halt damit lebenWo gibt es das, was ich bin? ... Diese Unsichtbarkeit, dieses [...] zurückgenommen, nicht sichtbar, nicht sichtbar sein, nicht sichtbar sein wollen.“ (Interview mit Elke B., Januar 2022)

Bisher ist wenig über die Lebenssituationen und -entwürfe, die Diskriminierungen und Emanzipationsbestrebungen lesbischer* Frauen in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts bekannt. Das gilt sowohl im Vergleich mit der Geschichte männlicher Homosexualität sowie der Frauen-, Geschlechter- und Sexualitätsgeschichte, in der lesbische* Akteurinnen und deren Begehren oft ausgeblendet wurden. Zudem bezieht sich die Forschung meist auf den Raum der Metropolen und übersieht Lebenswelten und Handlungsräume in der sogenannten Provinz.

Ziel des Hauptseminars ist es, sich quellennah mit lesbischem* Leben im deutschen Südwesten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage neuer Archivbestände und einschlägiger Forschungsliteratur zu beschäftigen. Die Annäherung an dieses Thema setzt zunächst eine kritische Reflektion der Quellen- und Analysesprache voraus. Der Begriff „Lesbe“ wurde erst in den 1970er Jahren zunehmend als Selbstbezeichnung verwendet und teilweise auch von (älteren) Akteurinnen abgelehnt. Der von uns gewählte Begriff „lesbische* Lebenswelten“ soll über das Adjektiv „lesbisch“, die Verwendung des Plurals und des Asterisks auf die Vielfalt unterschiedlicher Lebensentwürfe und Begehrensformen von frauenliebenden Frauen verweisen.

Das Seminar gibt einen chronologisch orientierten Überblick über lesbische* Lebenswelten von der Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre hinein. Hierbei sollen nicht nur Kontinuitäten gesellschaftlicher und staatlicher Stigmatisierung thematisiert, sondern vor allem selbstgeschaffene Lebens- und Handlungsräume in den Blick genommen werden. Dabei stehen (trans-)nationale Netzwerke, Diskussionen im Kontext der Neuen Frauenbewegung(en) sowie Institutionalisierungsbestrebungen, lesbische* Organisationen und Veranstaltungen im Fokus. Die Studierenden erhalten im Seminar die Möglichkeit, eigene Recherchen in Archiven durchzuführen und Interviews mit Zeitzeug*innen zu führen. Konzeptionell wird insbesondere mit Ansätzen der Queer Studies, der Intersektionalität sowie der Oral History gearbeitet.

 

Das Abgabedatum für die Hausarbeit ist der 18.3.2024.

Mündliche Prüfungen nach individueller Absprache i.d.R. zwischen dem 12. Februar und 12. April 2024.

Zu erbringende Studienleistungen: Aktive Teilnahme und regelmäßige Lektüre, Inputreferat, eigenständige Quellenrecherche und Auswertung, ggf. Führen eines Oral History Interviews, Präsentation der Ergebnisse

 

Literatur:

Boxhammer, Ingeborg/ Leidinger, Christiane: „Lesbian like Geschichte – Vom Wettstreit richtiger Bezeichnungen, Verdächtigungen, Lesbensex und einer Vermisstenanzeige, in: AutorInnenkollektiv Loukanikos (Hg.): History is unwritten. Linke Geschichtspolitik und kritische Wissenschaft. Münster 2015, S. 144-159; Leidinger, Christiane: Lesbische Existenz 1945-1969. Aspekte der Erforschung gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung lesbischer Frauen mit Schwerpunkt auf Lebenssituationen, Diskriminierungs- und Emanzipationserfahrungen in der frühen Bundesrepublik. Berlin 2015, Plötz, Kirsten: Als fehle die bessere Hälfte. „Alleinstehende“ Frauen in der frühen BRD 1949-1969. Königstein/Ts. 2005, Gammerl, Benno: anders fühlen. Schwules und lesbisches Leben in der Bundesrepublik. Eine Emotionsgeschichte. München 2021.