Übung: Politisches Denken zu Beginn der Neuzeit. Humanismus - Reformation - Glaubenskämpfe
Die Ursprünge des neuzeitlichen politischen Denkens liegen im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. In jenen
Jahren erfuhren Staat und Politik eine grundlegende Neubestimmung, zudem bildeten sich konkurrierende
Ordnungsvorstellungen heraus. Ausgangspunkt war - neben konkreten politischen Erfahrungen - der
Humanismus, der mit seinem Rückgriff auf die Antike bislang unbekannte Denkhorizonte eröffnete und den
Wechsel vom theozentrischen zum anthropozentrischen Weltbild einleitete. Am Anfang der Entwicklung steht
der Florentiner Niccolò Machiavelli, der im „Principe“ (1513), die traditionelle Verknüpfung von Politik und Ethik
auflösend, die spezifische Eigengesetzlichkeit des Politischen „entdeckte“ („Staatsräson“). Mit den „Discorsi“,
seinem politischen Hauptwerk, läutete Machiavelli zudem den neuzeitlichen Republikanismus ein. In jeder
Hinsicht das Gegenstück hierzu bildet der christliche Fürstenspiegel von Erasmus von Rotterdam, des größten
Gelehrten seiner Zeit („Institutio Principis Christiani“, 1515). Die berühmte „Utopia“ seines Freundes Thomas
Morus, in der eine vermeintlich gerechte, „sozialistische“ Gesellschaftsordnung entworfen wird, begründete
die Gattung der neuzeitlichen Utopie (1516). Die unmittelbar darauf einsetzende Reformation bestimmte das
Verhältnis von Politik und Religion ganz unterschiedlich: Während Luther, auf der Grundlage einer Zwei-Reiche-
Lehre, eine grundsätzliche Gehorsamspflicht gegenüber der gottgewollten Obrigkeit postulierte („Von weltlicher
Obrigkeit“, 1523), wollte Thomas Müntzer, der bekannteste Vertreter der radikalen Reformation in Deutschland,
das Reich Gottes auf Erden revolutionär verwirklichen („Fürstenpredigt“, 1524). Theoretische Neuerungen
zeitigte dann vor allem der erste große konfessionelle Bürgerkrieg der Neuzeit, die sog. Hugenottenkriege
in Frankreich (1562-1598). Die Erfahrung, daß der konfessionelle Gegensatz zwischen Herrscher und
Volk die Gefahr exzessiver Gewalt in sich barg, führte zur Lehre vom Recht auf Widerstand gegenüber
einer andersgläubigen, tyrannischen Obrigkeit, nicht nur bei den sog. calvinistischen Monarchomachen.
Als Alternative hierzu entwickelte Jean Bodin in seinen „Six Livres de la République“ (1576) die moderne
Souveränitätstheorie als Legitimationsgrundlage für eine starke, überkonfessionelle Monarchie - diesem Modell
sollte die Zukunft gehören.
In der Übung sollen die genannten Texte - ganz oder in Auszügen, allesamt in deutscher Übersetzung - intensiv
gelesen, analysiert und historisch eingeordnet werden. Ziel ist es, einen Überblick über zentrale Phänomene
und Entwicklungen des 16. Jahrhunderts zu gewinnen.
Zu erbringende Studienleistung
Die Studienleistung besteht, je nach Teilnehmer*innenzahl, aus einem Kurzreferat oder einer kurzen Hausarbeit (8-10 Seiten).
Literatur
H. Fenske/D. Mertens/W. Reinhard/K. Rosen, Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur
Gegenwart, aktual. Neuausgabe, Frankfurt/M. 1996; I. Fetscher/H. Münkler (Hrsg.), Pipers Handbuch der
politischen Ideen, Bd. 3, München 1985.